AMG wagt sich in ein niedriges Preissegment ohne dabei Abstriche in puncto Qualität zu machen.
Mit dem A35 AMG möchte Mercedes eine neue, vor allem junge Klientel erobern und bietet deshalb erstmalig ein Modell der Marke AMG für weniger als 50.000 Euro an. Mit dieser Strategie will der Hersteller seine bereits in der Vergangenheit erfolgsgekrönten Bemühungen zur Gewinnung von Marktanteilen in Segmenten fortsetzen, in denen die Marke bislang nicht präsent oder nicht wettbewerbsfähig war. Bei mehr als 6 Millionen verkauften Exemplaren (A, B, CLA, CLA, CLA, CLA Shooting Brake und GLA) kann sich Mercedes nicht nur mit hohen Verkaufszahlen, sondern auch mit Zugewinn einer jüngeren Zielgruppe brüsten.
Der A35 AMG zielt damit auf ein bisher brachliegendes Teilsegment ab, der zwischen dem A250 und dem A45 AMG klaffenden Lücke. Diese Strategie ist logisch und rational und die Definition dieses Fahrzeugs ist es auch: ein Kompaktwagen mit Fließheck, rund 300 PS, Allradantrieb, in direkter Konkurrenz zum Audi S3 oder dem VW Golf R.
Der A35 AMG ist keine revidierte Version des A250, der mit ein paar stylischen Gadgets aufgewertet wurde, zumindest nicht auf dem Papier. Die Affalterbacher Ingenieure haben bei der Auswahl des Motors und des Fahrwerks eine stringente Herangehensweise gewählt.
Der aus der neuen A-Klasse übernommene 4-Zylinder M260 mit einem Hubraum 1991 cm3 wurde mit einem neuen Doppelschnecken-Turbolader ausgestattet, welcher die Monoschnecken-Turbine des A250 in der 224-PS-Version ersetzt. Der Ladeluftkühler wird durch einen effizienteren Wasser-Luft-Wärmetauscher ersetzt und ermöglicht auf diese Weise eine Verkürzung der Ansaugleitungen. Die gesamte mobile Baugruppe, von der Kurbelwelle bis zu den Nockenwellen, bleibt unverändert, AMG hat es sich jedoch nicht nehmen lassen, die AMG-typische Kartendarstellung und Management-Firmware in das Cockpit zu integrieren. Ergebnis: 400 Nm von 3000 bis 4000 U/Min, wobei ein Großteil davon bereits ab 2000 U/Min verfügbar ist. Die Höchstleistung wird bei 306 PS mit 5800 U/Min erreicht.
Die Kurbelwelle ist an ein AMG Speedshift DCT 7-Gang-Getriebe und danach an einem 4Matic Allradantrieb mit einem elektronisch gesteuerten Mehrscheiben-Ölbad-Mittendifferenzial angeschlossen. Die Drehmomentverteilung zwischen den Achsen kann somit von 100:0 (für geringeren Kraftstoffverbrauch auf der Autobahn) bis 50:50 variieren, wenn das zentrale Differential geschlossen ist und beide Fahrwerke miteinander verbunden sind
Die Fahrwerkstechnik wurde mit dem Ziel einer höheren Steifigkeit und einer verbesserten Präzision in der Säulenführung komplett überarbeitet. Spezifische Nabenträger wurden neu konzipiert, um ausreichend Platz für 4 feste Bremssättel (4 Kolben vorne) und große Bremsscheiben (350 mm vorne, 330 mm hinten) zu bieten. Die Verbindungsstangen sind auf Lagern und nicht auf Silentblocks montiert.
Die Vorderachse ist außerdem mit einer riesigen Chassisversteifungsplatte unter dem Motor ausgestattet, und die Hinterachse ist vollkommen eigenständig, mit einer Halterung, die über starre Schraubfedern an der Karosserie befestigt ist. Ein Teil der Filterung musste daher zu Lasten des Fahrverhaltens geopfert werden. Der A35 AMG ist mit einem Satz mit einer Nanomischung befüllten Pirelli PZero ausgestattet.
Bei der Betrachtung des Fahrzeuginnenraums zeigt sich der bei der neuen B-Klasse festgestellte qualitative Quantensprung ganz deutlich. Die Positionierung der großen Widescreen Cockpits-Bildschirme, die ganz ohne Verkleidung auskommen, ist vielleicht nicht jedermanns Sache, ebenso wenig wie die Formgebung der Lüftungsdüsen. Insgesamt ist das Design jedoch sehr geschmackvoll. Die gewählten Farbtöne verleihen ihm das für Mercedes typische blank polierte Aussehen, die Teile und Mechanismen bestechen durch ihre Robustheit und Präzision, mit einer Ausnahme: Der Drehregler, der sich am Lenkrad auf der 7-Uhr-Position befindet – an sich eine gute Idee – ist beunruhigend locker und passt nicht so ganz zum Rest.
Der A35 AMG ist also weit mehr als eine verbesserte Version des A250 4Matic mit einem leistungsstärkeren Motor und stilvollen Gerätschaften. Jetzt gilt es also das Ergebnis zu beurteilen und AMG hat einen idealen Standort dafür gewählt: die herrliche Panoramaroute, die den Port de Soller mit Pollenca in den Gebirgszügen des nördlichen Mallorcas verbindet.
Die AMG Performance Sitze wirken gemütlich und ihre seitliche Abstützung, die von den Oberschenkeln bis zu den Schultern reicht und das an eine massive Felge erinnernde Lenkrad machen Lust auf mehr. Der M260 4-Zylinder-Motor hingegen ist diskret, selbst wenn er ruckelt. Wer bei dem A35 mit einem 77%-starken Variante des A45 AMG gerechnet hat, wird hier sein blaues Wunder erleben. Schwer zu sagen, ob dies von AMG so beabsichtigt war oder ob dies durch die Abgasnormen bedingt ist. Im Endeffekt ist dies jedoch nicht weiter dramatisch. Unser A35 AMG in Sonnengelb konnte den Port de Soller nicht verlassen ohne auszufallen, aber dies hatte nichts seinen Fahrgeräuschen zu tun.
Mercedes bietet fünf Fahrmodi (Slippery, Individual, Comfort, Sports und Sport+), welche mit den üblichen Parametern aufwarten. Die Federung ist starr, auch in der Komfort-Einstellung, und wir werden beim Fahren über den unebenen Asphalt der Hafenstadt kräftig durchgeschüttelt. Bei den ersten Anstiegen entfaltet der 2L-Turbo sein Drehmoment. Der Beschleunigung ist energisch, die Gasannahme ist rezeptiv und verzögerungsfrei, wodurch sich der A35 effizient von einer Kurve zur nächsten effizient schlängelt.
Es ist vielmehr die mangelnde Progression bei der Drehzahlbeschleunigung, die zu wünschen übrig lässt. Es gibt keinen wirklichen Anreiz für das Hochfahrenlassen des Motors, zumindest nicht wenn man es wegen des Soundeffekts tut. Der Wechsel in den Sport+-Modus sorgt für ein paar dezente und vorhersehbare Auspuffgeräusche; diese sind meilenweit vom soundstarken Auspuff des A45 W176 entfernt.
Ist man bereit, dieses Manko zu akzeptieren, kann man mit dem A35 ein tolles Fahrgefühl erleben, insbesondere wenn man Wert auf Effizienz und Präzision legt. Das Speedshift DCT7-Getriebe ist leistungsstark, es ermöglicht ein schnelles Hoch- und Herunterschalten mit dezentem, aber gut ausbalanciertem Drehzahlausgleich. Sein auffälligstes Merkmal ist wohl das Chassis und die Drehmomentübertragung am Boden.
Die Arbeit an der Versteifung der Fahrzeugaufhängung trägt spürbar zur Präzision und der Reaktionsneutralität bei Unebenheiten und Kompressionen bei. Die Vorderachse bietet eine gute Bodenhaftung, während die Hinterachse zuverlässig und unerschütterlich ist. Die AMG Fahrwerksingenieure sagen, dass bei der Kurvenfahrt eine selektive Bremsung des inneren Hinterrads erfolgt. Das System ist völlig durchschaubar und reagiert auf natürliche Weise, aber das Ergebnis überzeugt. Die Karosseriebewegungen sind stark begrenzt, das Wankverhalten quasi inexistent und die Agilität ist beeindruckend. Unterstützt durch die bemerkenswerte Arbeit des Pirelli PZero, lässt sich dieses Chassis von nichts aus der Fassung bringen.
Seltsamerweise verstärken diese Eigenschaften den Eindruck der Halbherzigkeit dieses Motors noch, vielleicht nicht unbedingt in Bezug auf Effizienz und reine Leistung, denn in diesem Punkt stellt er alles in den Schatten, sondern eher hinsichtlich des Fahrgefühls. Das Adrenalin, das man beim Gasgeben in den Kurven und Hochgeschwindigkeitsabschnitten spürt, sucht man bei normalen Beschleunigungen vergeblich.
Diesbezüglich lassen die AMG-Ingenieure verlauten, dass das Fahrwerk entwickelt wurde, um mehr Leistung zu bringen, eine unmissverständliche Anspielung auf einen zukünftigen A45 oder A50 AMG, der sich mit dem Audi RS3 messen muss und 400 PS überschreiten könnte.
Als wir zu dem landwirtschaftlichen Talgebiet im Osten Mallorcas zurückkommen, wird das Tempo wieder gemächlicher und alltagstauglicher. Sobald man sich mit der Steifigkeit der Baugruppe abgefunden hat, erscheint der A35 AMG relativ komfortabel, weit entfernt von den Extremen eines Focus RS zum Beispiel. Das gut geglückte NVH-Verhalten ist standhaft, aber nicht unnachgiebig, direkt, aber nicht schroff und sorgt auch auf der Autobahn oder in städtischen Gebieten für ein angenehmes Fahrgefühl. Die relativ lange Übersetzung im 7. Gang (weniger als 2400 U/min bei 130 km/h angegeben) trägt zu einem niedrigen Kraftstoffverbrauch und Geräuschpegel bei.
Der A35 AMG ist ein robuster Sportkompaktwagen, der es durchaus mit seinen direkten Konkurrenten aufnehmen kann, insbesondere was das Fahrverhalten betrifft. Es ist erfreulich festzustellen, dass Mercedes ganze Arbeit geleistet hat, um seiner neuen, jungen Kundschaft mehr zu bieten als ein Auto mit AMG-Logo. Das gelieferte Fahrzeug verspricht nicht nur eine erschwingliche Sport-A-Klasse, sondern es hält auch, was es verspricht und das zu einem wettbewerbsfähigen Preis.
Preis und wichtigste Ausstattungsoptionen
Mercedes A35 AMG 4Matic | CHF 59’201 | € 50’399 |
19″ AMG-Felgen | CHF 1’080 | € 1’000 |
AMG Performance-Sitze | CHF 2’630 | € 2’350 |
Premium-Paket | CHF 1’990 | € 1’750 |
Total | CHF 64’901 | € 55’499 |
Konkurrenzvergleich – technische Daten
Mercedes A35 AMG | Audi S3 Sportback | VW Golf R | |
Motor | L4 1991 cm3 Turbo | L4 1984 cm3 Turbo | La 1984 cm3 Turbo |
Leistung (PS / U/Min) | 306 / 5800 | 310 / 5800-6500 | 310 / 5500-6500 |
Drehmoment (Nm / U/Min) | 400 / 3000-4000 | 380 / 1850-5700 | 400 / 2000-5400 |
Antrieb | 4Matic | Quattro | 4Motion |
Getriebe | Speedshift DCT7 | Man 6 / S Tronic 7 | Man 6 / DSG 7 |
Leistungsgewicht (kg/PS) | (4.84) | (4.61/4.73) | (4.78/4.85) |
DIN Leergewicht | (1480) | (1430/1465) | (1483/1505) |
0-100 km/h (Sek.) | 4.7 | 5.3/4.6 | 5.1/4.6 |
Max. Geschw. (km/h) | 250 | 250 | 250 |
durschn. Verbrauch (Hersteller) | (7.4) | (7.1/6.6) | (8.0/7.2) |
CO2 (g/km) | 169 | 163/152 | 160 |
Tankvolumen (l) | 51 | 55 | 55 |
Länge (mm) | 4436 | 4322 | 4263 |
Breite (mm) | 1797 | 1785 | 1790 |
Höhe (mm) | 1405 | 1404 | 1465 |
Radstand (mm) | 2729 | 2631 | 2626 |
Kofferraum (L) | 370-1210 | 340-1180 | 343-1233 |
Reifen | 235/40 R18 | 225/40 R18 | 225/40 R18 |
Basis-Preis (CHF) | 59’201 | 57’520 | 53’250 |
Basis-Preis (EUR) | 50’399 | 54’960 | 41’175 |
Unser Dank gilt Mercedes Schweiz für die Einladung zum Launch des A35 AMG.
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