Test Audi RS4 Avant B9: RS als Referenz?

Erhält der RS4 durch seine Rückkehr zum Biturbo seinen Referenzstatus zurück ?  

Vor etwas mehr als zwölf Jahren zettelten die drei großen deutschen Automobilhersteller einen Wettstreit in Bezug auf die Motorisierung ihrer Kompaktwagen im C-Segment ab. Mit seinen Modellen S4 B6 und RS4 B7 sagte Audi seinen Konkurrenten den Kampf an. Kurz darauf zogen BMW mit dem M3 E92 und Mercedes mit dem C63 AMG nach. Den Druck zur Senkung der CO2-Emissionen nachgebend kehrten BMW und schließlich Audi den großen V8 den Rücken zu und konzentrierten sich wieder auf 6-Zylinder-Turoboladermotoren. Allein Mercedes hält dem Druck stand. Fragt sich nur für wie lange.

Nach zwei mit einem 4.2 FSI V8 angetriebenen Versionen präsentiert sich der neue RS4 B9, wie das mehrere Generationen zurückliegende Modell RS4 B5, mit einer Twin-Turbo-V6-Konfiguration. Allerdings weist diese nach einer zwanzigjährigen Weiterentwicklungsphase signifikante Unterschiede auf. Die Turbos werden im Inneren des V platziert, eine Positionierung, die zahlreiche Vorteile bietet: kürzere Leitungen ermöglichen eine schnellere Reaktionszeit sowie ein optimiertes Wärmemanagement.

Die Einspritzung ist eine Mischung aus direkter und indirekter Einspritzung und im Motor kommt der B-Zyklus mit variabler Ventilsteuerung zum Einsatz. Bei geringer Last wird die Ansaugphase durch frühes Schließen der Ansaugventile während des Kolbenabstiegs künstlich verkürzt. Der tatsächliche Hub in der Kompressionsphase ist daher kürzer als in der nachfolgenden Verbrennungsphase. Dadurch ist die Kompressionsrate niedriger als die Expansionsrate. Das Verhältnis zwischen dem Aufwand zum Verdichten des Gemisches einerseits und der bei der Verbrennung gewonnenen Energie andererseits ist hingegen günstiger. Dadurch wird die Effizienz erhöht und der Verbrauch reduziert. An dieser Stelle sei gesagt, dass Audi im Gegensatz zum V8 4.0 TFSI im RS6 bei seinen V6 keine COD-Technologie (Cylinder On Demand) verwendet.

Bei hoher Belastung schaltet die Einlassnockenwelle zur Optimierung des spezifischen Wirkungsgrads wieder in die herkömmliche Steuerung und Hub um. Dadurch erreicht Audi mit 2894 cm3 Hubraum im Drehzahlbereich zwischen 1900 und 5000 U/min ein Drehmoment von 600 Nm und eine Höchstleistung von 450 PS bis 5700 bis 6700 U/min. Diese Werte liegen über den 550 Nm und 440 PS der Version, die als Antrieb für den Panamera 4S eingesetzt wird. Auch wenn die maximale Leistung im Vergleich zum RS4 B8 zu stagnieren scheint, ist es die massive Erhöhung des maximalen Drehmoments in einem häufiger genutzten Drehzahlbereich, die den Unterschied macht.

Generationenkonflikt Audi RS4 Avant B9 Audi RS4 Avant B8
Motor V6 biturbo 2894 cm3 V8 4163 cm3
Leistung (PS / U/Min) 450 / 5700-6700 450 / 8250
Drehmoment (Nm / U/Min) 600 / 1900-5000 430 / 4000-6000
Getriebe Tiptronic 8 S-Tronic 7
Leistungsgewicht (kg/PS)  4.05 4.22
Gewicht DIN (constr.) 1823 (1715)
56.5% AV / 43.5% AR
 1899 (1870)
56% AV / 44% AR
0-100 km/h 4.1 4.7

Der Gesamteindruck nach der Probefahrt des Audi S4 Avant (ausgestattet mit einer 3,0-Liter-Einfach-Turbo-Version dieses V6) war sehr positiv und macht Lust auf den neuen RS4. Was die Ästhetik betrifft, hat Audi seine Mission erfüllt. Auch wenn die Lackierung in Sonomagrün Geschmackssache ist (meine Frau sie netterweise als “goose turd” bezeichnet, was so viel bedeutet wie “Gänsesdreck”) wurde nicht auf die für den RS typischen Attribute verzichtet. Mit seinen abgerundeten Kotflügeln, dem aufgemotzten Aufprallschutz, den traditionellen ovalförmigen Auspuffverkleidungen und den künstlichen Lüftungsschlitzen kann das Auto sich durchaus sehen lassen, auch wenn die Lufteinlässe an den Kotflügeln etwas präsenter hätten sein können.

Mit dem vertrauten Layout der A4-Serie, ergänzt durch die typische RS-Ausstattung (gestepptes Valcona-Leder) hält er in puncto Innenausstattung keine großen Überraschungen bereit. Beim exklusiven Audi-Designpaket in Sonomagrün wurden die Polsternähte mit der Außenlackierung abgestimmt und die Innentüren mit Alcantara für die nicht ganz günstige Summe von CHF 4’530 ausgekleidet. Die RS-Sportsitze besitzen eine verstellbare Rückenlehnenpolsterung, bei der die Stütze an die jeweilige Körpergröße angepasst werden kann, sowie über eine angenehme Massagefunktion, die nicht schaden kann. Nur schade, dass die Sitzflächen nicht auch verstellbar sind, um die Oberschenkel besser zu stützen.

Der neue V6 besticht durch seine Geschmeidigkeit und Lebendigkeit. Auch wenn er durch sein dezentes Rotierem im unteren Drehzahlbereichs geradezu unbemerkt bleibt, so bietet er doch eine hervorragende Abrufbarkeit und ein großes Verlangen nach Geschwindigkeit. Das beste Beispiel ist bei der Durchquerung eines Dorfes mit 45 km/h. Der Tacho zeigt im vierten Gang weniger als 1900 U/min an und fordert Sie auf, in den fünften Gang zu schalten. Am Ortsausgangsschild gehen Sie in die Vollen. Die Reaktion erfolgt unmittelbar und resultiert in einem langen, kräftigen Schub begleitet vom abgerundeten Aufheulen des V6. Und wenn man, ganz hypothetisch gedacht, noch weiter gehen möchte und den rechten Fuß ganz nach unten drückt, ist man innerhalb von wenigen Sekunden, und immer noch im 4 Gang, bei mehr als 140 km/h.

Die Beschleunigung ist überraschend, fast schon heimtückisch, wobei sich die Gänge unglaublich lange ausfahren lassen, bis das virtuelle Cockpit gelb und schließlich rot aufleuchtet. Und beim Hochschalten, welches sich durch das charakteristische “Ploppen” am Auspuff bemerkbar macht, kommt es zu keiner spürbaren Zugkraftunterbrechung. Das maximale Drehmoment von 600 Nm und das Verlangen nach schneller Beschleunigung machen den RS4 zu einer Schnellfeuerwaffe. Frei von Verzögerungen, aber auch im letzten Drittel seines Drehzahlbereichs sehr komfortabel zu fahren, stößt der neue 2.9 Biturbo den alten 4.2 FSI vollständig vom Thron. Die Differenz von 0,6s für die Beschleunigung 0-100 km/h zwischen den beiden Generationen repräsentiert das unterschiedliche Fahrgefühl in beiden Fahrzeugen nur unzureichend.

Der Sportauspuff sorgt für eine stärkere Klangpräsenz, die jedoch dezenter bleibt als das furchterregende Geheule eines RS3 oder das gedämpfte Rumpeln eines RS6. Mit den natürlichen Obertönen eines 90-Grad-V6 moduliert, charakterisiert sich die Klangfarbe überwiegend durch harmonische Mitteltöne, was in einen weniger metallischen Klang als beim Porsche Panamera 4S resultiert. Der Vorteil ist, dass der RS4 bei geschlossenen Ventilen sehr leise und wohltuend klingt. Der Nachteil ist, dass man ihm auf Strecken, auf denen bedingt durch den Verkehrsfluss ein ruhiges Tempo vorgegeben ist, einen Mangel an Persönlichkeit vorwerfen könnte. Für mich macht ihn dies eher zu einer “S4+++” Version als zu einer “RS6-minus-zwei”.

Die einstellbare DRC-Dämpfung sorgt für einen extremen Kontrast zwischen einer weichen Einstellung im Komfortmodus, die ich im Vergleich zum RS6 als zu einschläfernd finde, und einer extremen Straffheit im Dynamikmodus, der erst auf guten Straßenverhältnissen einsetzbar ist. Wenn der Drive Select Auto-Modus ausgewählt ist, nimmt der RS4 beim Fahren im Sport wenig Schwung auf, und seine Fahrzeugbewegungen werden gut wahrgenommen. Diese Option erscheint unerlässlich.

Dieser RS4 B9 legt eine bemerkenswerte Agilität an den Tag und verhält sich wie ein RS3. Das Auto vermittelt einen kompakten und nahezu schwerelosen Eindruck. Es ist leichter als das Vorgängermodell mit seinem großen V8, allerdings nicht so leicht wie angekündigt. Bei vollem Tag wog unser Testfahrzeug 1823 kg, 108 kg mehr als die angekündigten 1715 kg, aber 76 kg weniger als der 2013 getestete RS4 Avant B8.

Beim Durchtreten des Gaspedals zeigt das Fahrwerk eine bemerkenswerte Ausgewogenheit und das Quattro Sport Differential wirkt dem Untersteuern effizient entgegen, was dem RS4 bis zum Erreichen der Haftreibungsgrenze des Continental SportContact 6 eine neutrale Balance verschafft. Das Torque-Vectoring ist diskret und das Fahrzeug behält bei Beschleunigung seine ursprüngliche Fahrspur bei. Die Motor- und Fahrwerksbaugruppe weist eine ausgezeichnete Homogenität auf und ermöglicht Ihnen extrem hohe Geschwindigkeiten auf jeder beliebigen Strecke.

Wie bei dem S4 B9 hat mich das 8-Gang-Tiptronic-Getriebe nicht ganz überzeugt. Sein übermäßiger Hang zum Kickdown ist teilweise sehr anstrengend und mit der Steuerlogik von Porsche komme ich sowohl beim Tiptronic als auch bei PDK8 besser zurecht. Bei gleichmäßigem Fahren enttäuscht es gelegentlich durch sprunghafte Stöße, denn bei diesem Fahrwerk sollte man eigentlich ein geschmeidiges Fahrverhalten erwarten können. Im Gegensatz dazu ist die Leistung im Sport-Modus mit schnellen Schaltvorgängen und einem diskreten, aber effektiven Drehzahlausgleich im Rückwärtsgang deutlich besser. Die angesprochenen Mängel sind zwar nicht gravierend, aber die alte S-Tronic 7 Doppelkupplung ist einfach deutlich besser.

 

Bei längeren Fahrten verwandelt sich der RS4 in ein Langstreckenfahrzeug. Die DRC-Federung schützt den Lendenwirbelbereich im Komfortmodus bei großen Erschütterungen. Bei geschlossenen Sportauspuffklappen ist der 2.9 V6 sehr diskret. Im achten Gang fährt das Auto bei 150 km/h mit weniger als 2400 U/min, wobei der Kraftstoffverbrauch leicht unter 9 L/100 km fällt. Weiche Kopfstützen, Massage-Sitze, Geräteausstattung und ein Infotainmentsystem auf dem neuesten Stand der aktuellen Automobilproduktion machen den RS4 zu einem optimalen Transportmittel für lange Fahrten auf der Autobahn sowie auf Landstraßen, als Sportler eignet er sich perfekt für das Fahren von Steilwandkurven. Ich habe mich gezwungen, den Stauassistenten zu testen und das Gerät  hält, was es verspricht: fast 60 Sekunden lang steuert es das Gaspedal und die Lenkung bis max. 60 km/h. Bei höheren Geschwindigkeiten ist der Spurassistent, wenn man nicht gerade abgelenkt ist, völlig sinnfrei.

Mein Fazit erfolgt in Form eines Vergleichs mit einer RS4 B8 und meinem eigenen RS6. Bei der Weiterentwicklung des Vorgängermodells wurde Motorleistung in wesentlichem Maße verbessert. Entgegen der häufigen Klagen kann das Downsizing auch seine Vorteile haben. In dieser Hinsicht ist der neue RS4 ein voller Erfolg, dessen einziger Nachteil gelegentlichen Schwächen am Getriebe sind. Der Vergleich mit dem RS6 ist weniger schmeichelhaft. Es wollte mir einfach nicht gelingen, den Charme und das Charisma des Großen bei der kleineren Version wiederzufinden, diese ganz besondere Atmosphäre, die jeder noch so kurzen Fahrt ein ganz besonderes Flair verleiht. Eine ausgefeiltere Klangsignatur hätte den Unterschied ausmachen können, ebenso wie eine größere Auswahl an Personalisierungsoptionen. Abgesehen vom Leistungsunterschied kommt das tägliche Fahrerlebnis des RS4 dem eines gut ausgestatteten S4 dann doch etwas zu nahe.

Trotz allem gilt der neue Audi RS4 Avant als Referenzgröße. Denn der kraftvolle und vielseitige Kombi, an den sich BMW und Mercedes (bisher) nicht herantrauten ist ein Muss auf dem Schweizer Markt. Diese Vorzüge haben ihren Preis und Audi lässt sich dafür fürstlich entlohnen: Fast 130’000 Franken blättert man für diese Konfiguration hin, bei welcher der Design Pack in Sonomagrün wohl das einzig Hervorstechende ist. Diese lässt sich jedoch leicht durch elegantere Farben ersetzen. Der Preis ist hoch angesetzt, es gibt jedoch auch keinen direkten Konkurrenten.

Preis und Konfiguration des Testfahrzeugs

Audi RS4 Avant CHF 103’000 € 92’000
Audi Exclusive Design-Pack CHF 4’530  –
“Infotainment” Pack CHF 3’420  –
Geschmiedete 20″ Alufelgen im Edge-Design CHF 3’000 € 2’770
RS plus Sportfahrwerk mit Dynamic Ride Control (DRC) CHF 2’540 € 2’400
Erhöhung der Max. Geschwindigkeit auf 280 km/h CHF 1’960 € 1’800
Assistance Tour Pack CHF 1’940  –
RS Sportauspuff CHF 1’560 € 1’500
Head-up Display CHF 1’280 € 1’190
Sonomagrün metallic CHF 1’160 € 1’010
Matrix LED-Scheinwerfer CHF 1’120 € 1’000
Valcona Lederausstattung mit Wabensteppung CHF 1’110 € 1’050
Bang & Olufsen Sound System CHF 1’110 € 1’030
Garantie +2 Jahre / 100’000 km CHF 1’030 € 950
Fahrgastraum Ausstattung aus feinem Nappa Leder CHF 850
Quattro Mit Sportdifferential CHF 740 € 1’630
Optik Pack schwarz glänzend CHF 720 € 670
Audi virtuelles 12,3″ Cockpit CHF 650 € 0
Sichtschutzverglasung CHF 630 € 580
Ersatzkamera CHF 590 € 0
Aluminium Race Zierelemente anthrazit CHF 460 € 420
Memory-Außenspiegel CHF 450 € 0
Sitzheizung VORNE&HINTEN CHF 440 € 400
Reifendruckkontrolle CHF 330 € 300
Audi Side Assist CHF 330 € 0
Memory-Funktion für Fahrersitz CHF 270 € 0
Schienensystem mit Montagevorrichtung CHF 270 € 250
Schwarz glänzende Spiegelgehäuse CHF 140 € 130
Ambientebeleuchtung CHF 130 € 120
Audi Active Lane Assist CHF 0 € 550
DAB-Radio CHF 0 € 410
Bonus CHF -6180  –
Gesamt CHF  129’867 € 112’490

Vergleich mit der Konkurrenz – technische Daten

Audi RS4 Avant Mercedes C63 AMG Alpina B3S Biturbo Touring Allrad  Alfa Romeo Stelvio Quadrifoglio
Motor V6 Biturbo 2894 cm3 V8 3982 cm3 Biturbo L6 Biturbo 2979 cm3 V6 2891 cm3 Biturbo
Leistung (ch / t/min) 450 / 5700-6700 476 / 5500-6250 440 / 5500-6250 510 / 6500
Couple (Nm / tr/min) 600 / 1900-5000 650 / 1750-4000 660 / 3000-4500  600 / 2500-5000
Antrieb Quattro AR AWD Q4
Getriebe Tiptronic 8 Speedshift MCT 9G 8-Gang Automatik 8-Gang Automatik
RPP (kg/ch) 4.05 NC (4.02)  (3.59)
Poids DIN (constr.) 1823 (1715)
56.5% AV / 43.5% AR
 NC (1770) (1830)
0-100 km/h (sec.) 4.1 4.2 4.1 3.8
max. Geschwindigkeit (km/h) 250 / 280 250 298 283
Verbrauch (constr.) 10.3 (8.8) (10.0) (8.4) (9.0)
CO2-Emissionen (g/km) 199 228 192 210
Tank (l) 58  NC 60 64
Länge (mm) 4781 4702* 4632 4702
Breite (mm) 1866 1810* 1811  1955/2163
Höhe (mm) 1404 1457* 1431 1681
Radstand (mm) 2826 2840 2810 2818
Kofferraum (L) 505-1510 NC 495-1500 525
Reifen 265/35 R19 NC 245/30 R20
265/30 R20
255/45 R20
285/40 R20
Basis-Preis (CHF)  103’000 NC  86’900  104’500
Basis-Preis (EUR)  92’000  NC 77’600  91’400

* generische C-Klasse

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